Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen („Small Claims“)

Bei einer grenzüberschreitenden Forderung von bis zu 5.000 € können Sie das vereinfachte europäische Verfahren für geringfügige Forderungen („European Small Claim Procedure“, kurz „Small Claims“) nutzen, um Ihren Anspruch durchzusetzen.

Im Gegensatz zum europäischen Mahnverfahren kann dieses Verfahren sowohl für Geldforderungen als auch für Ansprüche auf Entschädigung (z. B. Fluggastrechte) oder Schadensersatz eingeleitet werden.

Es handelt sich um ein schriftliches Verfahren für das keine anwaltliche Vertretung erforderlich ist.

Die Vorteile dieses Verfahrens auf einen Blick:

  • Die anwaltliche Vertretung ist freiwillig.
  • Das Verfahren wird in der Regel ausschließlich schriftlich durchgeführt (auf Antrag einer Partei kann es jedoch zu einer mündlichen Verhandlung kommen).
  • Das Verfahren ist in der Regel kostengünstiger und schneller als ein nationales Mahnverfahren.

Welche Voraussetzungen müssen für die Einleitung dieses Verfahrens erfüllt sein?

Bevor Sie das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen einleiten, müssen Sie prüfen, ob bestimmte Bedingungen dafür erfüllt sind:

  • Die Parteien haben ihren Wohnsitz in einem EU-Land.
  • Der Rechtsstreit ist grenzüberschreitend (nur EU-Ausland, mit Ausnahme von Dänemark).
  • Der Rechtsstreit betrifft das Zivil- oder Handelsrecht (ausgenommen sind allerdings bspw. Fälle des Familien- und Erbrechts, des Arbeitsrechts oder Insolvenzfälle)“.
  • Der Streitwert darf maximal 5.000 Euro betragen (es kann sich um eine bestrittene oder unbestrittene Forderung handeln).

An welches Gericht ist der Antrag zu richten?

Grundsätzlich gilt, dass Sie in dem Staat klagen müssen, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat.  

In Deutschland sind in einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg bestimmte Amtsgerichte örtlich für die europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. In anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz ist das Amtsgericht am Ort des Beklagten zuständig.

In Frankreich sind die zuständigen Gerichte in Zivilsachen die „tribunaux judiciaires“ oder in Handelssachen die „tribunaux de commerce“ (Chambre commerciale des tribunaux judiciaires in Elsass-Moselle) am Ort des Beklagten.

Gut zu wissen

Wenn Sie als Verbraucherin oder Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland einen Vertrag mit einem französischen Unternehmen schließen, das sich gezielt durch Werbung in deutscher Sprache an Kundinnen und Kunden in Deutschland richtet, können Sie auch vor einem deutschen Gericht klagen.

Der Ablauf eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Schritt für Schritt

Wenn keine einvernehmliche Lösung mit der Gegenseite gefunden werden kann, bietet dieses europäische Verfahren der Klägerin oder dem Kläger einen erleichterten Rechtszugang. Es ist schnell, unkompliziert und es ist keine anwaltliche Vertretung notwendig. 

Das Verfahren wird in der Regel schriftlich abgewickelt und basiert auf vier Standardformblättern:

  • Formblatt A: Klageformblatt (Einleitung des Verfahrens)
  • Formblatt B: Aufforderung des Gerichts zur Vervollständigung und/oder Berichtigung des Klageformblatts (nur bei Bedarf)
  • Formblatt C: Antwort der oder des Begklagten
  • Formblatt D: Urteilsbestätigung

Auf dem Europäischen Justizportal finden Sie die Formulare in allen Sprachen der Europäischen Union.

Gut zu wissen

Manchmal ist ein Urteil auf der Grundlage der schriftlichen Beweismittel nicht möglich, oder eine der Parteien fordert eine mündliche Verhandlung. In solchen Fällen kann das Gericht entscheiden ob eine mündliche Verhandlung (vor Gericht oder per Videokonferenz) erforderlich ist. Diese wird vor allem dann veranlasst, wenn eine mündliche Verhandlung nach Auffassung des Gerichts für die Entscheidungsfindung oder im Interesse eines fairen Verfahrens notwendig ist.

1. Die Einleitung des Verfahrens

Die Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen erfolgt durch Übermittlung des Formblatts A an das zuständige Gericht (siehe „Bei welchem Gericht ist die Klage einzureichen?“).

Das Formular kann beim zuständigen Gericht per Post eingereicht werden (am besten per Einschreiben mit Rückschein). Die Übermittlung per Mail ist bisher leider weder in Deutschland noch in Frankreich möglich.“

Mit dem Formular sollten möglichst Beweisunterlagen beigefügt werden, die den Anspruch begründen (z.B. Bestellbestätigungen, Rechnungen, Verträge, Abrechnungen, Schriftwechsel zwischen den Parteien usw.).

In der deutsch-französischen Kontaktstelle für Justizfragen in der Grenzregion erhalten Sie von unserem Juristenteam kostenlos Hilfe für die Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen.

2. Was passiert nach Eingang des Antrags bei Gericht?

Das Gericht prüft zunächst das Klageformblatt und die beigefügten Unterlagen:

  • Ablehnung des Antrags: Ist das Gericht unzuständig, fällt die Forderung nicht in den Anwendungsbereich des Verfahrens oder ist sie nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend begründet, kann das Gericht den Antrag zurück- oder abweisen.
  • Korrektur/Vervollständigung des Antrags: Sind die Angaben unzureichend oder in einer Fremdsprache abgefasst, kann das Gericht die Antragstellerin oder den Antragsteller ersuchen, den Antrag mittels des Formblatt B zu vervollständigen oder zu berichtigen. Dafür setzt das Gericht eine Frist, nach deren Ablauf die Forderung zurück- bzw. abgewiesen wird.
  • Zustellung an die Beklagte oder den Beklagten: Ist der Antrag ordnungsgemäß und vollständig, sendet das Gericht der oder dem Beklagten innerhalb von 14 Tagen eine Kopie des Klageformblatts zusammen mit den Belegen und dem Antwortformblatt Formular C zu. Dies soll der Gegenseite die Möglichkeit zur Stellungnahme geben.

3. Die Antwort der oder des Beklagten

Die Gegenseite hat nach Zustellung 30 Tage Zeit, um auf die Klage zu reagieren.

Dazu kann sie entweder das Anwortformblatt C ausfüllen oder auf andere geeignete Weise auf die Forderung antworten.

Sie kann aber auch selbst das Formular A ausfüllen um eine Gegenforderung zu erheben.

Wenn die Gegenseite nicht innerhalb der Frist antwortet, entscheidet das Gericht über den Antrag.

Wenn die Gegenseite antwortet, sendet das Gericht der Antragstellerin oder dem Antragsteller innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt eine Kopie der Antwort zu. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat dann wiederum 30 Tage Zeit, um auf die gegebenenfalls erhobene Gegenklage der oder des Beklagten zu antworten.

4. Die Gerichtsentscheidung

Innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss des schriftlichen Austauschs oder nach dem etwaigen Termin der mündlichen Verhandlung, sendet das Gericht eine schriftliche und begründete Entscheidung an beide Parteien. Die Entscheidung hat die Form eines Urteils und ist unmittelbar vollstreckbar.

Auf Antrag einer Partei fertigt das Gericht das Formblatt D aus. Die Partei, die die Vollstreckung beantragt, legt anschließend eine Ausfertigung des Urteils und das Formblatt D beim zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde für die Vollstreckung der Gerichtsentscheidung vor. In der Regel sollte die Entscheidung in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgelegt werden.

Gut zu wissen

Die Entscheidung über ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen wird in allen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.

Ob Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden kann, regelt jeder Mitgliedsstaat selbst. In Frankreich ist keine Berufung gegen das Urteil möglich. In Deutschland ist die Berufung grundsätzlich möglich, wenn der Streitwert 600 Euro übersteigt.

Was kostet das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen?

Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ist in den meisten EU-Mitgliedstaaten kostenpflichtig. Die Verfahrenskosten werden bei der Einleitung des Verfahrens fällig. Die Höhe der Kosten ist abhängig von der Höhe der Forderung. Die Gerichtskosten dürfen nicht unverhältnismäßig hoch sein oder die Kosten eines nationalen Verfahrens übersteigen.

In Deutschland fallen je nach Streitwert mindestens 114 Euro (bei einem Streitwert von 500 Euro) und höchstens 483 Euro (bei einem Streitwert von 5.000 Euro) an.

In Frankreich hingegen werden für dieses Verfahren vor den französischen Gerichten keine Gerichtskosten erhoben.

Achtung: Wenn eine anwaltliche Vertretung hinzugezogen wird, eine mündliche Verhandlung stattfindet oder eine Übersetzung benötigt wird, können zusätzliche Kosten anfallen.

Gut zu wissen

In der Regel trägt die unterlegene Partei auch die Verfahrenskosten der Gegenseite (zusätzliche Kosten, wie Anwalts- oder Übersetzungskosten eingeschlossen). Allerdings nicht, wenn sie nicht notwendig waren oder in keinem Verhältnis zur Klage stehen.