Das europäische Mahnverfahren (Europäischer Zahlungsbefehl)

Um eine Geldforderung in einem anderen EU-Land geltend zu machen, können Sie auf das europäische Mahnverfahren, ein vereinfachtes europäisches Gerichtsverfahren, zurückgreifen.

Im Gegensatz zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen kommt dieses Mahnverfahren ausschließlich für unbestrittene Forderungen in Form von Geldbeträgen in Frage.

Dieses schriftliche Verfahren bietet eine Alternative zu den nationalen Mahnverfahren der EU-Mitgliedsstaaten.

Die Vorteile dieses Verfahrens auf einen Blick:

  • Die anwaltliche Vertretung ist freiwillig.
  • Das Verfahren wird in der Regel ausschließlich schriftlich durchgeführt (auf Antrag einer Partei kann es jedoch zu einer mündlichen Verhandlung kommen).
  • Das Verfahren ist in der Regel kostengünstiger und schneller als ein nationales Mahnverfahren.

Welche Voraussetzungen müssen für die Einleitung dieses Verfahrens erfüllt sein?

Das Verfahren kommt nur infrage, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Parteien haben ihren (Wohn-)sitz in einem EU-Mitgliedsstaat (außer Dänemark).
  • Der Rechtsstreit ist grenzüberschreitend, d.h. mindestens eine der Parteien hat ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsstaat
  • Der Rechtsstreit betrifft das Zivil- oder Handelsrecht (z.B. Schadensersatz wegen defekter Ware, Entschädigung wegen Flugannullierung). Das Verfahren kann z.B. nicht in Steuer-, Zoll-, Verwaltungs- und Unterhaltsangelegenheiten beantragt werden.
  • Sie möchten die Zahlung eines bezifferten, fälligen und unbestrittenen Geldbetrags erwirken.

An welches Gericht ist der Antrag zu richten?

Das europäische Mahnverfahren muss von der Antragstellerin oder dem Antragsteller beim zuständigen Gericht eingeleitet werden.

Grundsätzlich muss die Gegenseite in dem Staat verklagt werden, in dem diese wohnt bzw. in dem diese ihren Sitz hat. Es gibt allerdings auch Ausnahmen.

  • In Frankreich, sowie in den meisten EU-Ländern, ist das „Tribunal Judicaire“ zuständig, das dem (Wohn-)Sitz der oder des Beklagten am nächsten liegt.
  • In Deutschland ist hingegen nur ein einziges Gericht für dieses Verfahren zuständig. Hier muss der Antrag beim Europäischen Mahngericht Deutschland (Amtsgericht Wedding) gestellt werden.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, welches Gericht für Ihren Fall zuständig ist, hilft Ihnen das Team der deutsch-französischen Kontaktstelle für Justizfragen gerne weiter. Füllen Sie herfür einfach unser Kontaktformular aus.

Der Ablauf des europäischen Mahnverfahrens Schritt für Schritt

Wenn keine einvernehmliche Lösung mit der Gegenseite gefunden werden kann, bietet Ihnen dieses europäische Verfahren eine vereinfachte gerichtliche Durchsetzung Ihrer Rechte.

Abgewickelt wird das Verfahren ausschließlich schriftlich mit Hilfe von sieben Formblättern:

  • Formblatt A: Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls
  • Formblatt B: Aufforderung des Gerichts zur Vervollständigung und/oder Berichtigung des Antrags (nur bei Bedarf)
  • Formblatt C: Alternativvorschlag des Gerichts zur Änderung des Antrags oder
  • Formular D: Zurückweisung des Antrags durch das Gericht oder
  • Formular E: Europäischer Zahlungsbefehl, vom Gericht ausgestellt
  • Formblatt F: Einspruch der Gegenseite gegen den Zahlungsbefehl
  • Formblatt G: Vollstreckbarerklärung des Gerichts

Auf dem Europäischen Justizportal finden Sie die Formulare in allen Sprachen der Europäischen Union.

1. Die Antragstellung

Der Antrag für das EU-Mahnverfahren muss dem zuständigen Gericht mithilfe des Formblatts A übermittelt werden. Wenn die oder der Beklagte beispielsweise in Frankreich ansässig ist, muss der Antrag grundsätzlich bei einem französischen Gericht eingereicht werden (Ausnahmen möglich).

Der Antrag kann beim Gericht per Post (am besten per Einschreiben mit Rückschein) oder, je nach Gericht, elektronisch gestellt werden.

Mit dem Antrag können Belege für die Höhe der Forderung sowie die Begründung des Anspruchs eingereicht werden (Rechnungen, Verträge, Abrechnungen, Schriftwechsel zwischen den Parteien usw.).

Gut zu wissen

Der Antrag muss in der Sprache des Gerichts, an das er gerichtet ist, ausgefüllt werden (je nach Gericht können auch andere Sprachen akzeptiert werden). Bei einem französischen Gericht muss der Antrag für das EU-Mahnverfahren in der Regel auf Französisch gestellt werden.

Hilfe bei der Einleitung des EU-Mahnverfahrens erhalten Sie kostenlos von unserem Team in der deutsch-französischen Kontaktstelle für Justizfragen in der Grenzregion.

2. Was passiert nach Eingang des Antrags bei Gericht?

Zur Feststellung seiner Zuständigkeit, prüft das Gericht zunächst das Antragsformular und die beigefügten Unterlagen:

  • Ablehnung des Antrags: Fällt der Antrag nicht in den Anwendungsbereich des Verfahrens, teilt das Gericht dies der Antragstellerin oder dem Antragsteller mit.
  • Korrektur/Vervollständigung des Antrags: Sind die Angaben unzureichend oder wurden in einer Fremdsprache eingereicht, sendet das Gericht das Formblatt B zurück. Der Antrag muss innerhalb einer vom Gericht festgelegten Frist vervollständigt und/oder korrigiert werden. Nach Ablauf der Frist wird der Antrag zurückgewiesen.
  • Änderungsvorschlag: Wenn nur ein Teil des Antrags die Voraussetzungen erfüllt, kann das Gericht der Antragstellerin oder dem Antragsteller mit dem Formular C einen Vorschlag zur Änderung des Antrags machen.
    Die Antragstellerin oder der Antragsteller kann diesen Vorschlag annehmen oder ablehnen. Im Falle einer Ablehnung wird der gesamte Antrag vom Gericht zurückgewiesen und die Antragstellerin oder der Antragsteller mit dem Formular D darüber informiert.
  • Zustellung an die Beklagte oder den Beklagten: Wenn der Antrag ordnungsgemäß vervollständigt wurde/die Antragsvoraussetzungen erfüllt sind, sendet das Gericht der oder dem Beklagten innerhalb von 30 Tagen einen Europäischen Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formular E. Darin muss zwingend die geforderte Summe (einschließlich Zinsen und anderer Kosten) angegeben werden.

3. Die Antwort der Gegenseite

Der oder die Beklagte kann die Forderung annehmen (indem er oder sie Ihnen den Geldbetrag zahlt) oder aber mit dem Formblatt F ohne Angabe einer Begründung Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl einlegen. Der Einspruch muss innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls versandt werden. Wenn die oder der Beklagte nicht innerhalb dieser Frist antwortet, wird der Europäische Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklärt.

4. Die Gerichtsentscheidung

Ist der Einspruch der oder des Beklagten zulässig, wird das Verfahren vor dem zuständigen Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Europäische Zahlungsbefehl erlassen wurde, gemäß den nationalen Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt.

Bei einem Zahlungsbefehl gegen ein Unternehmen mit Sitz in Frankreich würde also ein Gerichtsverfahren in Frankreich nach französischen Verfahrensregeln stattfinden.

Gut zu wissen

Wenn Sie nicht möchten, dass nach einem Einspruch ein „herkömmliches“ Gerichtsverfahren durchgeführt wird, kann das bereits im Formblatt A vermerkt werden.

Wenn kein Einspruch durch die Gegenseite erfolgt, erklärt das Gericht den Zahlungsbefehl durch Übersendung des Formblatts G an die Antragstellerin oder den Antragsteller für vollstreckbar.

Wenn die oder der Beklagte dem Zahlungsbefehl nicht nachkommt, muss die Antragstellerin oder der Antragsteller beim zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde die Vollstreckung der Gerichtsentscheidung beantragen.

Gut zu wissen

Der Europäische Zahlungsbefehl wird in allen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Entscheidung für den Zahlungsbefehl angefochten werden kann. In der Regel sollte die Entscheidung in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgelegt werden, muss also ggf. übersetzt werden.

Wird der Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls (mithilfe des Formblatts D) hingegen abgelehnt, kann die Antragstellerin oder der Antragsteller nicht dagegen vorgehen. Allerdings besteht an immer noch die Möglichkeit, die Forderung mithilfe eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen geltend zu machen.

Bei einem Formfehler bei der Antragsstellung eines EU-Mahnverfahrens kann ein Neuantrag oder ein Antrag für ein nationales Mahnverfahren in Betracht gezogen werden.

Was kostet das europäische Mahnverfahren?

Vor den französischen Gerichten ist das europäische Mahnverfahren kostenlos.

In den anderen EU-Mitgliedstaaten hingegen ist dieses Verfahren meistens kostenpflichtig. Die Höhe der Kosten ist abhängig von der Höhe der Forderung. Die Gerichtskosten dürfen nicht unverhältnismäßig hoch sein oder die Kosten eines nationalen Verfahrens übersteigen. In Deutschland fallen je nach Streitwert mindestens 36 Euro (bei einem Streitwert von bis zu 500 Euro) an. Mit der Höhe des Streitwerts steigen auch die Gerichtsgebühren und können bis zu 1.950,50 Euro (bei einem Streitwert von 500.000 Euro) betragen.

Die Verfahrenskosten werden bei der Einleitung des Verfahrens fällig.

Achtung                                                                                                                                                            

Wenn eine anwaltliche Vertretung hinzugezogen wird oder eine Übersetzung benötigt wird, können zusätzliche Kosten anfallen.

In der Regel trägt die unterlegene Partei auch die Verfahrenskosten der Gegenseite (zusätzliche Kosten, wie Anwalts- oder Übersetzungskosten eingeschlossen).