Naturkatastrophen: Risikoprävention und Entschädigung durch die Elementarschadenversicherung in Frankreich
Die jüngsten Naturkatastrophen zeigen, dass Frankreich wie auch andere Länder vor natürlichen Risiken nicht gefeit sind (Überschwemmungen, Erdbeben, Lawinen, Waldbrände, Wirbelstürme, Unwetter etc.).
Damit Ausmaße eingedämmt und Opfer schneller entschädigt werden, gibt es in Frankreich seit den 80er Jahren verschiedene Risikopräventionspläne (PPR). Diese zeigen u. a. Maßnahmen zur Verringerung von Risiken auf. Die Vorschriften sind bindend und gelten sowohl für Behörden, Unternehmen, als auch für Privatpersonen.
Präventionsplan für vorhersehbare Naturgefahren (PPRN) – eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse
Der „Plan de prévention des risques naturels“ (PPRN), ist ein Präventionsplan für vorhersehbare Naturgefahren. Die Umsetzung erfolgt in enger Zusammenarbeit von staatlichen Stellen, Gebietskörperschaften und unterschiedlichen Ministerien.
Auf kommunaler Ebene wird der PPRN schließlich ausgearbeitet. Aktuell verfügen in Frankreich 14.144 Gemeinden über einen Präventionsplan für vorhersehbare Naturgefahren.
Der PPRN wird dem „Plan local d'urbanisme“ (PLU), dem Flächennutzungsplan angehängt.
Im PPRN sind die Gebiete definiert, die direkten oder indirekten vorhersehbaren Naturgefahren ausgesetzt sind, wie z. B. Überschwemmungen, Bodenbewegungen, Lawinen, Waldbränden, Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Stürmen oder Wirbelstürmen;
Eigestuft wird auch die mögliche Intensität der Naturphänomene.
Festgelegt sind weiterhin die Präventions-, Schutz- und Sicherungsmaßnahmen, die die öffentliche Verwaltung in den genannten Gebieten ergreifen muss, sowie die Maßnahmen für Privatpersonen (z. B. Bauarbeiten an bestehenden Objekten).
Für jedes definierte Gebiet gibt es einen Regelungsrahmen: Bodennutzung, Bauvorschriften, Nutzung und Verwaltung der Risikogebiete in einem ganzheitlichen Risikoansatz.
Präventionspläne können das Bauen in einem bestimmten Gebiet verbieten oder es nur unter bestimmten Bedingungen erlauben. PPRN haben einen direkten Einfluss auf Baugenehmigungen.
Die Bestimmungen gelten für bestehende sowie für künftige Bauten.
Sollte es für ein Gebiet keinen Präventionsplan geben, können die Risikozonen und die einzuhaltenden spezifischen Regeln im Flächennutzungsplan (PLU) festgelegt werden.
Bei der Anwendung der Vorschriften kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten. Einerseits haben Staat und Bürgermeister eine gewisse Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, andererseits müssen bei der Einteilung von Risikogebieten auch wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden.
Welche Risikopräventionspläne gibt es in Frankreich?
Ein Risikopräventionsplan (Plans de Prévention des Risques, PPR), kann in Frankreich aus folgenden Plänen bestehen:
- Präventionsplan für vorhersehbare Naturgefahren (Plan de prévention des risques naturels, PPRN)
- Präventionsplan zur Verhütung von Waldbränden (Plan de prévention risque incendie de forêt, PPRIF)
- Hochwasserrisikovorsorgeplan (Plan de prévention des risques d'inondation, PPRI)
- Plan zur Vorbeugung von Bergbaurisiken (Plan de prévention des risques miniers, PPRM)
- Lawinenrisiko-Präventionsplan (Plan de prévention des risques d'avalanches, PPRA)
- Plan zur Vermeidung gegen Dürre (Plan de prévention contre la sécheresse, PPRS)
- Präventionsplan für vorhersehbare Küstenrisiken (Plan de prévention des risques des littoraux et submersion marine, PPRL)
- Pläne zur Vermeidung von Naturgefahren im Zusammenhang mit dem Boden (Plans de prévention des risques naturels liée au sol)
- Bodenbewegung und Gefahr des Einsturzes von unterirdischen Hohlräumen
- Erdbeben
- Vulkanausbrüche - Präventionsplan für vorhersehbare technologische Risiken (Plan de prévention des risques technologiques, PPRT)
- Bodenverschmutzung
- ehemalige Industriestandorte
- umweltschädliche Emissionen
Der Staat entscheidet
Ein Ereignis muss durch einen Ministerialerlass zu einer Technologie- oder Naturkatastrophe erklärt worden sein, damit Geschädigte von ihren Versicherern entschädigt werden können.
Der Staat entscheidet also, wann ein Ereignis eine Naturkatastrophe ist und wann nicht.
Die Entwicklung der Risikopräventionspläne (PPR) in Frankreich
Risikopräventionspläne werden nach jeder Natur- oder Technologiekatastrophe ausgeweitet.
Nachdem es 1982 und 1987 erste Gesetze zur Vermeidung von vorhersehbaren Naturgefahren und die Entschädigung von Opfern gab, wurden die Pläne 1995 dank des Barnier-Gesetzes erneuert.
Präventionspläne für vorhersehbare technologische Risiken wurden erstmals 2003 als Reaktion auf die Katastrophe in der Toulouser AZF-Fabrik eingerichtet. Die Katastrophe aus dem Jahr 2001 hatte 31 Todesfälle und fast 800 Verletzte zur Folge.
Präventionspläne für vorhersehbare Küstenrisiken wurden nach einem Erlass vom August 2011 eingeführt. Auslöser war der Sturm Xynthia im Februar 2010.
Nach dem Lubrizol-Brand im Jahre 2019 wurden die Regeln für Seveso-Standorte durch sieben Verordnungen verschärft. So muss etwa alle fünf Jahre eine Überprüfung der Gefahrenstudie vorgenommen werden.
Ein Seveso-Standort ist ein Standort, an dem mit schädlichen Stoffen gearbeitet wird und wo ein erhöhtes Risiko für einen größeren Störfall besteht.
Informationspflicht über natürliche und technologische Risiken
Käufer und Mieter müssen über Gefahren aufgeklärt werden
Seit Juni 2006 gibt es die Verpflichtung, dass Käufer und Mieter von Immobilien über Folgendes aufgeklärt werden müssen:
- Vor dem Verkauf oder der Vermietung einer Immobilie müssen Käufer und Mieter über die natürlichen und/oder technologischen Risiken informiert werden, die die Immobilie betreffen
- Käufer oder Mieter sind über die natürlichen und/ oder technologischen Katastrophen zu unterrichten, von denen die Immobilie bereits betroffen war. Die Katastrophen müssen durch einen Ministerialerlass als solche anerkannt worden sein.
Aufgeschrieben werden die Informationen in dem Formular "État des risques naturels et technologiques" (ERNT), das erforderlicher Bestandteil der Verkaufs- oder Vermietungsunterlagen ist.
Lesen Sie hier mehr zu den präventiven Informationspflichten (auf Französisch).
Gut zu wissen:
Die französische Regierung stellt ein interaktives Tool zur Verfügung, mit dem eine Gefahreneinschätzung für eine bestimmte Adresse vorgenommen werden kann.
Verbindliche Bestimmungen: bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen
Die Risikopräventionspläne (PPR) enthalten Bauvorschriften, die unter die französische Bau- und Wohnungsordnung fallen. Deren Einhaltung obliegt dem Bauherrn und den mit der Durchführung der Projekte beauftragten Fachleuten.
Ein Risikopräventionsplan ist mit blauen und roten Zonen versehen:
- Die blauen Zonen kennzeichnen Bereiche, in denen angesichts der vorhandenen Naturgefahren Bauten, Anlagen und Einrichtungen zugelassen werden können. Vorausgesetzt es werden bestimmte Bedingungen eingehalten.
- Die roten Zonen zeigen die Gebiete, die von den größten Naturgefahren betroffen sind und die nicht bebaut werden dürfen. Lediglich die in der PPR-Verordnung ausdrücklich genannten Anlagen, Konstruktionen und Bauten sind erlaubt. Hierfür muss vorab eine Genehmigung eingeholt werden.
Wer sich nicht an die Vorschriften eines Risikopräventionsplans hält, verstößt gegen das französische Städtebaugesetz (Artikel L 480-4) und muss mit folgenden Strafen rechnen:
- Für jeden unrechtmäßig bebauten oder unrechtmäßig abgerissenen Quadratmeter kann eine Geldstrafe zwischen 1.200 € und 6.000 € berechnet werden. Für juristische Personen verfünffachen sich diese Beträge.
- Wiederholungstätern droht eine sechsmonatige Haftstrafe.
- Juristischen Personen kann die Erlaubnis zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit entzogen werden. Möglich ist auch der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.
- Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften. Abriss von unrechtmäßigen Bauwerken.
Die Nichteinhaltung der Vorschriften kann dazu führen, dass die Versicherung die Übernahme von Kosten verweigert.
Schließlich kann die Nichteinhaltung dieser Pflichten zur Aufhebung des Kaufvertrags oder zur Minderung des Preises führen.
Auswirkungen auf bestehende Gebäude
Immobilien, die bei der Genehmigung eines Risikopräventionsplans bereits bestanden, müssen eine Elementarschadenversicherung erhalten, unabhängig davon, ob sie sich in einer roten oder in einer blauen Zone befinden.
Hausbesitzer müssen allerdings die im Präventionsplan enthaltenen Bestimmungen und Verpflichtungen einhalten, indem sie das Gebäude gemäß Artikel L. 562-1, 4°, II des Umweltgesetzbuchs in Übereinstimmung bringen.
Wenn sich die bestehende Immobilie in einem Risikogebiet befindet, z. B. in einem Überschwemmungsgebiet, stellt das für das Versicherungsunternehmen ein zusätzliches Risiko dar und der Versicherungsschutz könnte verweigert werden.
Wer sich in einer solchen Situation befindet, kann sich an das Bureau Central de Tarification (BCT) wenden.
Aufgabe des BTC ist es, die Prämie festzulegen, mit der das Versicherungsunternehmen das Risiko abdecken muss.
Gut zu wissen:
- Die Pläne zur Vermeidung von Überschwemmungsrisiken (PPRI) können dazu verpflichten, Arbeiten durchzuführen, um die Gefährdung eines Hauses zu verringern. Hierfür kann ein Zuschuss aus dem sogenannten "Barnier-Fonds" beantragt werden. Seit Ende 2019 werden bis zu 80 % der Kosten für die Arbeiten übernommen.
- Die europäische SEVESO-Richtlinie verpflichtet die europäischen Staaten, eine gemeinsame Politik zur Vorbeugung von großen industriellen Risiken anzugehen. Die Richtlinie wurde 1982 verabschiedet und seitdem zweimal überarbeitet. Die letzte Fassung stammt aus dem Jahr 2012.