Prozesskostenhilfe in Frankreich

Bevor Sie ein Gerichtsverfahren in Frankreich anstreben, sollten Sie versuchen, den Streit gütlich (außergerichtlich) zu lösen. Denn Achtung: Ein Prozess kann teuer werden!

Glücklicherweise gibt es in Frankreich eine finanzielle Unterstützung, um jedem den Rechtszugang zu gewährleisten: die sogenannte „aide juridictionnelle“ (Prozesskostenhilfe).

Über die französische Prozesskostenhilfe können Verfahrens- und Anwaltskosten ganz oder teilweise vom Staat übernommen werden.

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Welche Kosten fallen bei einem Gerichtsverfahren in Frankreich an?

Prozesskosten umfassen alle Ausgaben, die mit einem Gerichtsverfahren verbunden sind. Diese Kosten variieren verschiedenen Faktoren nach.

In Frankreich gibt es zwei Arten von Prozesskosten:

1. Die Verfahrenskosten („les dépens): Hierzu zählen die Gerichtsgebühren, die Verhandlungsgebühren sowie die sogenannten Auslagen (z. B. für Zeugen und Sachverständige).

  • Grundsätzlich entscheidet das Gericht, wer diese Kosten zu tragen hat. In der Regel sind sie von der unterlegenen Partei zu tragen.

2. Die nicht erstattungsfähigen Kosten („les frais irrépétibles): Alle durch das Gerichtsverfahren entstandene Ausgaben, die nicht zu den oben genannten Verfahrenskosten („dépens“) zählen (z. B. Anwaltskosten, Reisekosten, Übersetzungskosten, usw.).

  • Grundsätzlich hat jede Partei ihre eigenen „frais irrépétibles“, wie z. B. Anwaltskosten, selbst zu tragen. Jede Partei kann aber beantragen, der Gegenseite einen Teil der eigenen „frais irrépétibles“ aufzuerlegen.

Gut zu wissen: Die Höhe der Anwaltskosten ist frei vereinbar und richtet sich nach der mit der Mandantin oder dem Mandanten getroffenen Honorarvereinbarung. Die anwaltliche Vertretung ist nicht immer verpflichtend, was sich auf die Gerichtskosten auswirken kann. 

Mehr zum französischen Justizsystem finden Sie hier: Das französische Rechtssystem: ein Überblick.

Die französische Prozesskostenhilfe auf einen Blick

Der Staat gewährt auf Antrag Personen mit geringem Einkommen eine finanzielle Unterstützung für Gerichtsverfahren in Frankreich, die sogenannte "Prozesskostenhilfe". Dadurch können die Verfahrenskosten ganz oder teilweise übernommen werden.

Prozesskostenhilfe in Frankreich (Aide juridictionnelle)

  • Hauptsächlich für Zivil- und Handelsverfahren
    Wenn Sie nicht in Frankreich wohnen, aber ein französisches Gericht zuständig ist, können Sie die französische Prozesskostenhilfe nur für zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten in Anspruch nehmen.

Grundlage für Prozesskostenhilfe bei Verfahren mit grenzüberschreitendem Bezug ist eine europäische Richtlinie (2003/8/EG). Achtung: Diese gilt nicht für Strafverfahren.

Gut zu wissen: Es gibt einen Simulator, mit dem Sie herausfinden können, ob Sie in Frankreich Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, und wenn ja, in welcher Höhe: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/R59382

Beispiel: Wenn Sie in Deutschland wohnen und Ihr Verfahren vor einem französischen Gericht verhandelt wird, handelt es sich um einen grenzüberschreitenden Rechtsstreit.

In diesem Fall müssen Sie den Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht zwangsläufig bei einem französischen Gericht stellen.

Es genügt, ein vorgefertigtes Formular (sog. „Formular für Anträge auf Prozesskostenhilfe in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union“) auf Deutsch auszufüllen und bei dem Amtsgericht ihres Wohnsitzes in Deutschland einzureichen. Das zuständige Amtsgericht können Sie über folgende Seite ermitteln: Europäisches Justizportal - Prozesskostenhilfe (europa.eu).

Das zuständige deutsche Amtsgericht wird Ihren Antrag und die Belege auf eigene Kosten übersetzen und an das französische Büro für Prozesskostenhilfe (Bureau d’aide juridictionnelle) weiterleiten. Es kann die Weiterleitung jedoch ablehnen, wenn es den Antrag für offensichtlich unbegründet hält.

Achtung
Wenn Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt wird, kann die Erstattung der Übersetzungskosten von Ihnen verlangt werden. Es ist daher ratsam, zusätzlich zum Formular, die Informationen und Belege zu übermitteln, die von den französischen Gerichten im Rahmen des üblichen Verfahrens zur Beantragung von Prozesskostenhilfe verlangt werden.

Das übliche Verfahren zum Antrag auf Prozesskostenhilfe in Frankreich

Um Prozesskostenhilfe zu erhalten, muss man normalerweise schon vor Beginn des Verfahrens einen Antrag beim Büro für Prozesskostenhilfe („Bureau d'aide juridictionnelle“) stellen. Der Antrag muss in französischer Sprache ausgefüllt werden und Folgendes enthalten:

  • Identität und Staatsangehörigkeit: Kopie der Vorder- und Rückseite des Personalausweises, Reisepasses oder Führerscheins
  • Unterhaltsberechtigte Person(en): z.B. Familienstammbuch
  • Einkunfts- und Vermögensnachweise: Steuerbescheid, Einkommensnachweis, Immobilienvermögen, Höhe der Ersparnisse
  • Formular der Versicherung oder des Arbeitgebers mit dem bestätigt wird, dass die Kosten nicht übernommen werden (Formular: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/R39717)

Sonderfall
Sie müssen keine Einkommensnachweise vorlegen, wenn Sie Opfer eines sog. schweren Verbrechens sind oder wenn Sie mit einem Opfer solcher Taten verwandt sind.

Gut zu wissen
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland werden durch die Beantragung von Prozesskostenhilfe die Verjährungsfristen gehemmt.

  • Sie sind Staatsangehörige oder Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats (mit Ausnahme Dänemarks)
  • Aufgrund Ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Situation sind Sie nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens zu tragen
  • Die Kosten werden nicht vollständig von einer Versicherung übernommen

Haben Sie oder Ihr Arbeitgeber bzw. Ihre Arbeitgeberin eine Rechtsschutzversicherung, haben Sie nur dann Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn der Versicherer die Übernahme der Verfahrenskosten ablehnt. Das Bestätigungsformular finden Sie hier: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/R39717)

Gut zu wissen: Es gibt einen Simulator, mit dem Sie herausfinden können, ob Sie in Frankreich Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben, und wenn ja, in welcher Höhe: https://www.service-public.fr/particuliers/vosdroits/R59382

Die Prozesskostenhilfe übernimmt alle Kosten, die durch das Gerichtsverfahren mit grenzüberschreitendem Bezug entstehen:

  • Kosten für die außergerichtliche Beratung durch einen Rechtsanwalt zur Erzielung einer außergerichtlichen Einigung
  • Kosten für die rechtliche Beratung zur Einleitung des Gerichtsverfahrens (Rechtsberatung, Übersetzung von Schriftstücken)
  • Kosten für die anwaltliche Vertretung vor Gericht
  • Kosten im Zusammenhang mit der Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung (Gerichtsvollzieherkosten)

Grundsätzlich muss die Partei, die den Prozess verliert, für alle Verfahrenskosten aufkommen.

Daher können Sie, wenn Sie die Prozesskostenhilfe erhalten und den Prozess gewonnen haben, die Kosten von der Gegenpartei zurückfordern.

Achtung
Wenn Sie die Prozesskostenhilfe erhalten haben, aber den Prozess verlieren, kann die Gegenpartei zusätzlich von Ihnen verlangen, ihre Anwaltskosten zu bezahlen.

Ein verlorener Prozess kann also auch dann teuer werden, wenn die Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Man sollte seine Erfolgsaussichten gut abschätzen, am besten mit einem Anwalt, bevor man einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt und ein Gerichtsverfahren einleitet.

Die deutsch-französische Kontaktstelle für Justizfragen bietet Ihnen kostenlose Erstberatungen mit Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten (z.B. Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten). Diese dienen einer ersten Einschätzung zu den zu unternehmenden Schritten, Erfolgsaussichten und möglichen Kosten Ihres Verfahrens.  Füllen Sie dafür einfach unser Kontaktformular aus.

Gut zu wissen: Wer Prozesskostenhilfe erhält, darf seinen Anwalt grundsätzlich frei wählen. Sollten Sie keinen Anwalt finden, der Sie vertritt, kann Ihnen auch ein Anwalt zugeteilt werden.

Egal, ob es sich um eine Ablehnung, den Bescheid über eine teilweise Gewährung oder eine Aufhebung der Bewilligung handelt, die Entscheidung muss Ihnen in jedem Fall schriftlich mitgeteilt werden. Gegen diese Entscheidung können Sie einen Rechtsbehelf in Form eines Widerspruchs einlegen.

  • Der Widerspruch muss innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden.

Der Widerspruch muss per Einschreiben Rückschein an das Büro für Prozesskostenhilfe („Bureau d'aide juridictionnelle“) gerichtet werden. In dem Widerspruch müssen die Gründe für den Widerspruch sowie eine Kopie der Entscheidung beigefügt werden (Beispiel: Bei der Berechnung des Gesamt-Bruttoeinkommens wurden nicht alle zum Haushalt gehörenden Personen berücksichtigt.).

Achtung 
Gegen die zweite Entscheidung, bspw. die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, kann nicht erneut Widerspruch eingelegt werden.

Tipp

Die Einleitung eines Gerichtsverfahrens (mit Ausnahme des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen) ist mit einem anfänglichen Kostenaufwand und einem finanziellen Risiko verbunden, die durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht systematisch vollständig abgedeckt werden. Wenn Sie also in Erwägung ziehen Ihren Rechtsstreit vor Gericht zu lösen, sollten Sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis vorab gut abschätzen.  

Die deutsch-französische Kontaktstelle für Justizfragen bietet Ihnen kostenlose Erstberatungen mit Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten (z.B. Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten). Diese dienen einer ersten Einschätzung zu den zu unternehmenden Schritten, Erfolgsaussichten und möglichen Kosten Ihres Verfahrens. Füllen Sie dafür einfach unser Kontaktformular aus.