Deutsch-französische Straßenbahn: barrierefrei über die Grenze?

Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. hat sich mehr als zwei Jahre mit dem Thema der grenzüberschreitenden Mobilität zwischen Deutschland und Frankreich für Menschen mit Behinderungen befasst.

Im Rahmen des Projekts "Leben mit Behinderung in der Grenzregion", gefördert durch die Europäische Gebietskörperschaft Elsass, konnte ein großes Mobilitätshindernis identifiziert werden: die fehlende gegenseitige Anerkennung der französischen und deutschen Behindertenausweise und deren Folgen für Nutzer mit Behinderung der Straßenbahnlinie Straßburg-Kehl.

Zwei. Nur zwei Straßenbahnlinien verbinden französische Städte mit ihren deutschen Nachbarstädten. Die in 1997 eingeweihte Saarbahn ermöglicht es den Bewohnern von Sarreguemines in Lothringen, mit der Tram nach Saarbrücken im Saarland zu fahren.

Danach dauerte es 20 Jahre bis eine weitere Straßenbahn, die Linie D der Straßburger Tram, die Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland herstellte.

Seit Ende 2018 kann man das Stadtzentrum der europäischen Hauptstadt verlassen, den Rhein überqueren und 20 Minuten später auf der anderen Seite der Grenze vor dem Rathaus in Kehl aussteigen.

Die Tarifvergünstigungen für Menschen mit Behinderung auf beiden Seiten des Rheins

Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland gewährt der Behindertenausweis gewisse Preisvorteile, insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr.

Die Compagnie des Transports Strasbourgeois (CTS) bietet unter bestimmten Bedingungen und bei Vorlage einer carte mobilité inclusion invalidité zwei davon an.

  • Ein Jahresabonnement PMR zum halben Preis für Inhaber einer Mobilitätskarte (CMI) mit Vermerk Invalidité (dauerhafter Behinderungsgrad von 80 % oder mehr) im Alter von 26 bis 64 Jahren.
  • Ein DOUZEPASS-Ticket, d. h. 12 einfache Fahrten, wird auch zu einem ermäßigten Preis für Personen angeboten, die im Besitz eines Dokuments mit dem Vermerk "besoin d’accompagnement cécité" (Bedarf an Blindenbegleitung), eines Behindertenausweises mit doppeltem blauem Balken (75 % Behinderung) oder mit rotem Balken sind.

 

In Baden-Württemberg, wie überall in Deutschland, erhält man mit dem Schwerbehindertenausweis (SchBA) vergünstigte Fahrpreise.

  • Die Wertmarke, ein Jahresabonnement für ca. 90€ oder sogar kostenlos für bestimmte Behinderungen wie Blindheit, wird vom zuständigen Versorgungsamt ausgestellt und bietet freien Zugang zum gesamten deutschen öffentlichen Nahverkehrsnetz (Busse, Regionalzüge, Straßenbahn).
  • Kostenlose Fahrt für Begleitpersonen von Menschen mit Behinderungen, die einen Behindertenausweis mit dem Vermerk "B" (Begleitperson) besitzen.

Die gegenseitige Nichtanerkennung der französischen und deutschen Behindertenausweise auf der Linie Straßburg-Kehl

Auf der Straßenbahnlinie D überqueren täglich Tausende von Menschen den Rhein, um in das Nachbarland zu gelangen. Eine Freiheit, die für Menschen mit Behinderungen durch die fehlende gegenseitige Anerkennung der CMI in Deutschland und des Schwerbehindertenausweises in Frankreich eingeschränkt wird.

1. Deutsche Person mit Behinderung im CTS-Netz

Der deutsche Schwerbehindertenausweis sowie die Wertmarke werden im CTS-Netz nicht anerkannt.

Während die behinderte Person zwischen den Haltestellen Kehl Bahnhof und Kehl Rathaus kostenlos fahren kann, muss sie einen Fahrschein zum vollen Preis kaufen, sobald sie die Grenze überquert, um nach Straßburg zu fahren. Dasselbe gilt für Begleitpersonen von Personen mit Behinderung (Schwerbehindertenausweismit Vermerk "B").

Da das Abonnement PMR Inhabern eines französischen Behindertenausweises (CMI) vorbehalten ist, können deutsche Personen mit Behinderung dieses nicht erwerben. Die einzige mögliche Alternative, um von ermäßigten Preisen zu profitieren, ist das Ticket DOUZEPASS, das an den CTS-Fahrkartenautomaten frei verkauft wird und für Blinde bestimmt ist. Aber auch hier gibt es Unklarheiten, wie bei einer Kontrolle vorgegangen wird, wenn der Schwerbehindertenausweismit dem Vermerk "BI" (Blindheit) vorgelegt wird.

2. Französische Begleitpersonen in Deutschland nicht anerkannt

Für behinderte Menschen mit französischer Staatsangehörigkeit ist die Situation einfacher, da das CTS-Ticket und das Abonnement auf deutscher Seite anerkannt werden.

Dagegen muss die französische Begleitperson des Inhabers eines Behindertenausweises (mit dem Vermerk "Besoin d'accompagnement") im Gegensatz zur deutschen Begleitpersonen a priori ein Ticket zum vollen Preis kaufen, um die Straßenbahn zwischen den Haltestellen Kehl Bahnhof und Kehl Rathaus zu nutzen.

Ungleicher Zugang - Verstoß gegen europäisches Recht

Diese unterschiedlichen Tarifbedingungen je nachdem in welchem Land der Behindertenausweis ausgestellt wurde, stellen unserer Meinung nach eine Diskriminierung dar.

Dies verstößt gegen europäisches Recht, das "nichtdiskriminierende Zugangsregeln für die Beförderung von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität" vorschreibt und es den Diensten und Betreibern von Stadt- und Regionalverkehrsmitteln untersagt, zusätzliche Gebühren für die Buchung von Fahrkarten oder den Kauf von Fahrscheinen zu erheben.

Das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz empfiehlt daher zumindest die gegenseitige Anerkennung der französischen und deutschen Behindertenausweise auf der Linie D.

Informationsblatt

Diese Informationsschrift wurde an die Eurometropole Straßburg und die Stadt Kehl gesandt, um unsere Beobachtungen und Empfehlungen mitzuteilen.